Monday, 28 October 2024

REVIEW: DES TÖCHTERLEINS LEID (Juval Marlon, 2024)

 


Eine junge Dame, die als Pornodarstellerin und Prostituierte arbeitet, kommt dem letzten Wunsch ihrer toten Mutter nach und nähert sich ihrem Vater an, mit dem sie seit Ewigkeiten zerstritten ist. In einem Waldhaus versuchen sie, die holprige Beziehung zu kitten, was aber keineswegs von Erfolg gekrönt ist. Als ein verschrobener Reisender zu der Gruppe hinzustößt, fangen die wahren Probleme an.


Früher hat sich der deutschsprachige Undergroundfilm noch mit Zombies und Slasherkillern im heimischen Wald begnügt, heute stehen andere Tugenden im Vordergrund. Spätestens seit den den Beiträgen von Marian Dora rückt ein substanzieller Bestandteil der Filmschaffenden eher in pervertierte, realitätsnahe Gefilde, was nicht nur für hitzige Debatten, sondern auch für unterschiedlich starke Endresultate sorgt. Juval Marlon, der vor einigen Jahren auf den Plan trat und auch prompt mit der deutschen Zensur kollidierte, präsentiert mit „Des Töchterleins Leid“ seinen aktuellen Film, der Fans des Genres durchaus gefallen dürfte.


Der Regisseur aus der Schweiz geht relativ unverblümt ans Werk und zeigt direkt am Anfang die weibliche Hauptrolle, wie sie ihre Reize unverhohlen zur Schau stellt und von einem zahlenden Kunden gefilmt wird. Das bietet die nötige Schmierigkeit und zeigt, wo die Reise hingeht. Das Treffen mit ihrem Vater ist geprägt von durchgehender Toxizität, sodass man auch hier weiß, worauf man sich einstellen muss. Überall gibt es Spannungen und latente Aggression, gut enden kann es keinesfalls - soweit so gut.




Der Elefant im Raum ist natürlich die Nähe zu den Werken Marian Doras. Die Landschaftsaufnahmen, die mit klassischer Musik unterlegt wurden, das Zeigen von Nacktschnecken und toten Insekten, die sexuelle Aggressivität und die kleinen Dörfer, durch die die Charaktere schlendern, erinnern doch sehr stark an das Werk des Skandalregisseurs, was für einen leicht faden Beigeschmack sorgt. Nicht, dass man hier von einem offenen Ripoff reden könnte, es geht eher darum, dass Marlon die offensichtlichen Stärken von „Des Töchterleins Leid“ mit dieser Machart ein wenig in den Schatten stellt. Selbiges gilt für den Mittelteil, in dem einige der Dialoge doch ein wenig zu hölzern wirken und für leichtes Augenrollen sorgen könnten.


Das eigentliche Hauptaugenmerk ist ganz klar die extrem perverse Ausrichtung des Films. Diese funktioniert wirklich sehr gut und schlägt die letzten Filme von Dora um Längen. Mit Violetta Sangue hat man eine schmerzfreie Dame ins Boot geholt, die mit extremsten Closeups ihres Genitalbereichs und scheinbar ungestelltem Sex keine Probleme gehabt hat. Die letzten 10 Minuten dürften selbst manchem Veteranen etwas too much sein, da man hier eben nicht auf stumpfen Splatter, sondern auf greifbare Darstellung von Missbrauch gesetzt hat. Da kann man auch getrost vergessen, dass Wischnauskis Charakter irgendwie unfertig wirkt und er neben dem gewohnt gut agierenden Brandl und der hier erneut positiv zu erwähnenden Sangue deutlich den Kürzeren zieht.


Fazit: „Des Töchterleins Leid“ ist ein ziemlich brachiales Werk, das durch kompromiss- und schonungslose Darstellung von massiver sexueller Gewalt eine nicht zu unterschätzende Wirkung entfaltet. Die Charakterkonstellation ist im Grunde genommen okay und in der Ausführung solala, aber da hat man in ähnlich veranlagten Filmen schon deutlich Schlechteres gesehen. Die Parallelen zu Marian Dora sind nicht von der Hand zu weisen und hier sei dem Regisseur gewünscht, dass er in Zukunft ein wenig mehr Wert auf seine eigene Handschrift legt, denn er hat definitiv Potential. Diese Kritikpunkte ändern aber nichts daran, dass man es hier definitiv mit einem der besseren Indiefilme aus dem deutschsprachigen Umfeld zu tun hat – schon alleine wegen dem Mumm, den man bewiesen hat.


7 / 10