Sam ist ein kleines Zahnrad in einem unterdrückerischen System der Zukunft und fühlt sich dort zumindest nicht gänzlich unwohl. Dies ändert sich, als er durch Mauschelei einen besseren Job und tiefere Einsicht in die Innenwelt des Staates erhält und nebenbei ganz zufällig die Frau seiner Träume auf offener Straße erspäht.
Terry Gilliam, seines Zeichens damaliges Mitglied der maximal kultigen Comedytruppe Monty Python und Mastermind hinter Hochkarätern wie "12 Monkeys" und "Fear and Loathing in Las Vegas", realisierte mit "Brazil" im Jahre 1985 einen Film, der vielleicht weniger konsumierbar als manch anderes Werk seiner Filmografie, aber doch exquisit und beeindruckend daherkommt. Irgendwo zwischen Drama, pechschwarz angesiedelter Komödie und Science Fiction wird hier gekonnt eine Vielzahl an Themen aufgegriffen, die zusammen fast schon ungeahntes Potential entfalten.
Die dargebotene Vision der Zukunft ist gezeichnet von vollkommener Überwachung, grotesk überbordender Bürokratie und hohlem Konsumerismus, mit dem sich der gemeine Mensch eher schlecht als recht von der Leere seiner Existenz abzulenken sucht. Zum guten alten Orwell gesellt sich eine ordentliche Portion Kafka, als der geneigte Zuschauer die Hauptfigur Sam kennenlernt. Dieser wird von seiner bestimmenden Mutter auf eine höhere Position gehievt und lernt nach und nach einerseits die tyrannische Natur seines Systems und andererseits die Frau kennen, die ihm immer wieder in seinen Träumen begegnet.
Der Kampf um die Freiheit erscheint zutiefst menschlich und wird durch überaus gelungene Traumsequenzen und unaufdringliche Fantasyszenarien gekonnt erweitert. Die Charaktere wirken stellenweise ein wenig blass oder erscheinen als verhältnismäßig eindimensionale Überzeichnungen, was insofern aber kein Beinbruch ist, dass sie den vielen anderen Tugenden somit mehr Raum geben.
Zu diesen zählt natürlich auch die ästhetische Gestaltung, die weitaus mehr als nur bloßes Beiwerk ist. Der Futurismus von "Brazil" kommt in charmantem Retrolook daher und irgendwo schwingt noch Film Noir mit, der sich mit organischer Ausrichtung vermählt. Alles wirkt auf seltsame Art altvertraut, aber dennoch in dieser spezifischen Konstellation frisch und neu. Besonders die herrlich sperrige Technik spiegelt die Machtstrukturen des fiktiven Staates in all seiner Dysfunktionalität und gebieterischen Despotie perfekt wider.
Analog zur technisch-gesellschaftlichen Kritik öffnet Gilliam auch dem philosophisch-spirituellen Diskurs die Tür. Das Streben nach Freiheit und Glück wird durch Engelsgestalten versinnbildlicht, die heroischen Lichtwelten stehen in perfektem Kontrast zum tristen Alltag und dem oberflächlichen Glanz der Neureichen. Wer will, kann problemlos platonisch-gnostische Elemente erkennen, die man so fast nur aus Filmen wie "Dark City" kennt, aber "Brazil" funktioniert auch sehr gut als "reine" Unterhaltung. Dass man am Ende gehörigen Mut zum Zynismus bewiesen hat, wertet den Rest aber so oder so gehörig auf.
Fazit: Mit "Brazil" hat Terry Gilliam einen wahrlich beeindruckenden Film geschaffen, bei dem vor allem die Ästhetik und das Zusammenspiel von humoristischer Leichtigkeit und existenzieller Tristesse außergewöhnlich gut in einem ebenso gelungenen futuristischen Setting agieren. Da kann man über kleinere Längen gerne hinwegsehen und eine absolute Empfehlung aussprechen.
8,5/10