Thursday, 14 November 2024

REVIEW: THE VIGIL (Keith Thomas, 2019)

 


Jakov hat seiner orthodox-jüdischen Glaubensgemeinschaft eigentlich den Rücken zugekehrt, aber die Umstände ändern sich, als der Rabbiner eines Tages auftaucht und ihn bittet, eine Totenwache für einen kürzlich Verstorbenen abzuhalten. Widerwillig stimmt der junge Mann zu, nichtsahnend, dass er es alsbald mit einem waschechten Dämon und den Traumata seiner eigenen Vergangenheit zu tun bekommen wird.


Mit „the Vigil“ inszenierte Keith Thomas einen relativ interessanten und zurückhaltenden Film, der sich konkret auf die jüdische Kultur und die dazugehörige Mythologie beruft. Hierbei hat man sich betont stilsicher gezeigt und bewiesen, dass weniger auch mehr sein kann.


Interessanterweise verbringt man von Anfang ein relativ hohes Maß an Zeit mit dem isolationistischen Sonderling Jakov, ein Charakter, der sich in seiner ganzen Komplexität erst nach und nach entfaltet. Ängstlich und neurotisch kämpft er sich nicht nur durch seinen Auftrag, sondern auch durch seine leidbehaftete Lebensgeschichte und seine Unsicherheit bei der Interaktion mit dem schönen Geschlecht. Der ein oder andere wird hier sicherlich die klassisch jüdischen Motive des Außenseiters und des latenten Selbsthasses und -zweifels sehen, die man beispielsweise aus der Literatur des 20. Jahrhunderts kennt, aber „the Vigil“ überspannt den Bogen diesbezüglich Gott sei Dank nicht.





Natürlich rückt irgendwann die eigentliche Totenwache und die bösartige Entität, die es auf Wächter und Seele des Toten zugleich abgesehen hat, in den Vordergrund. Man hat es mit einem sogenannten Mazzik zu tun, der wohl am Treffendsten als eine Art niederer Unheilstifter bzw Quälgeist beschrieben werden kann. Interessanterweise schafft man es, die wahrlich übernatürlichen Horroraspekte mit Jakovs Vergangenheit und seinen seelischen Wunden zu verknüpfen, sodass eine gekonnte Symbiose entsteht.

Der eigentliche Horror wird nie so konkret oder actionreich wie im stereotypischen Dämonen- oder Geisterhausfilm, aber ist doch präsent genug um im klassischen Sinne „da zu sein“. Die Schockmomente sind genauso subtil und zurückhaltend wie die Grundstimmung selbst, halten aber doch angenehm auf Trab und finden ihre jeweiligen Höhepunkte ohne forciert oder fehl am Platze zu wirken.


Ob man „the Vigil“ primär als okkulten Horrorfilm judaischer Prägung oder als Psychogramm sieht, ist wohl jedem selbst überlassen. Die treffendste Antwort wäre wohl: „Why not both?“ So oder so ist alles treffend ausbalanciert und in sich rund – insofern hat man keinen Grund zum Meckern.


Fazit: „The Vigil“ ist ein atmosphärischer und alles in allem durchaus gelungener Beitrag, der gekonnt psychologischen Horror mit klassischem Okkultismus vermischt, ohne auf bombastische Jump Scares oder billige Tricks zu setzen. Trotz des ruhigen Grundtons bleibt alles unterhaltsam und vor allem der Protagonist kann über die volle Laufzeit überzeugen.


7/10