Sunday, 8 December 2024

REVIEW: POSSUM (Matthew Holness, 2018)



 

Philip kehrt zum Haus zurück, in dem er nach dem Tod seiner Eltern seine Kindheit verbrachte. Dort trifft er einerseits auf seinen bösartigen Onkel Maurice und andererseits auf Possum – eine widerwärtige Puppe mit Spinnenbeinen, die ihn seit Jahren heimsucht und die es gar nicht zu mögen scheint, wenn man versucht, sie loszuwerden.


Mit „Possum“ inszenierte Matthew Holness 2018 einen düsteren psychologischen Horrorfilm, der die Gemüter zu spalten scheint. Von manchen als absoluter Geheimtipp verehrt, wird der Beitrag von anderen wiederum als langatmig und inhaltsleer angesehen. Durch seine sehr eigensinnige Natur bietet der Film also durchaus Gesprächspotential.


Anfangs kann einen das Geschehen quasi direkt in den Bann ziehen. Alles wirkt abstrakt, kalt und auf unangenehme Art distanziert, so wie man es von den ganz großen Vertretern des Arthousehorrors kennt. Der dauertraurige Philip schlendert durch verfallene, fast schon apokalyptisch anmutende britische Gegenden, was von einem effektiven Noise-Ambientscore unterlegt wird. In seinem verstörenden Surrealismus wirkt „Possum“ hier wie eine erfrischende Verbeugung vor Filmen wie „Eraserhead“, gepaart mit einem Schuss „Broken Britain“ Ästhetik.

Nach dem eher abstrakten Anfang wird der Zuschauer in die Realität geholt und es treten geerdetere Handlungsstränge auf, wie zum Beispiel die Interaktion mit dem toxischen Onkel Maurice oder der Fall eines vermissten Schuljungen. Interessant ist die oftmals nur indirekt und schemenhaft überlieferte Hintergrundgeschichte allemal, aber dass die handlungsarmen und minimalistisch-absurden Szenen durchgehend die faszinierendsten bleiben, steht außer Frage.





Die wirklich grandiose Puppe, die authentisch unangenehm daherkommt und für einige absolut überzeugende Szenen sorgt, ist logischerweise ein Symbol für die Traumata des Protagonisten und man muss auch kein Hellseher sein, um relativ früh Onkel Maurices Anteil daran zu erkennen. Diese teilweise zu vereinfachte Oberflächlichkeit war eventuell der falsche Weg, denn „Possum“ ist dort überzeugend, wo er vage und befremdlich bleibt. Auch wenn weitere Elemente, wie zB das Kinderbuch, die Reime und die emotionalen Implosionen des Hauptcharakteres durchaus zu gefallen wissen, sind sie bei weitem nicht die einzige tragende Säule des Films.


Die konkreteren Geschehnisse rund um den bemitleidenswerten Philipp entfalten sich interessanterweise eher in den Dialogen mit Maurice, weswegen sich das aktive Zuhören definitiv lohnt. Bei der ersten Sichtung kann dies ein wenig hakelig wirken, wo man aufgrund der Symbolik doch eher einen visuell ausgelegten Kunstfilm erwartet, aber wer sich eindringlicher mit „Possum“ befasst, der wird erkennen, dass der Regisseur diese verschiedenen Aspekte des Traumas gekonnt verknüpft hat. Die bedrohlichen Szenen rund um die Puppe fangen das emotionale Chaos und die unterschwellige Bedrohlichkeit ein, wohingegen die eigentliche Handlung mittels Dialogen über die Vergangenheit eine schlüssige Erklärung liefern kann. Im Zusammenspiel kann das absolut überzeugen, auch wenn es anfangs ungewohnt erscheinen könnte.


Fazit: „Possum“ besticht durch einen interessanten Anfang, überzeugendes Sounddesign und eine verdammt geniale Puppe, die wohl der eigentliche Star des Films ist. Da der Macher das Geschehen schnell aus der reinen Symbolebene herausholt und um realitätsnähere Handlungen und Hintergründe erweitert, muss man sich ein wenig auf die Gratwanderung einlassen, um den eigentlich ziemlich pfiffigen Trick zu erkennen, den Regisseur Holness hier angewendet hat. Ein verdaulicher Unterhaltungsfilm ist „Possum“ keinesfalls, dafür aber ein verdammt gelungener und unangenehmer.


8/10