Monday, 30 December 2024

REVIEW: THE WICKER MAN (Robin Hardy, 1973)

 


Ein Polizist besucht eine schottische Insel, da er annimmt, dass dort ein junges Mädchen verschwunden ist. Hier macht er Bekanntschaft mit einigen schrulligen Einwohnern, die allesamt einer archaischen Form von heidnischer Religion anhängen, die dem Besucher gar nicht behagt. Doch wie schlimm die Situation eigentlich ist, kann er kaum erahnen.


Der 1973 veröffentlichte „Wicker Man“ stellt zweifelsohne einen zeitlosen Klassiker dar, der für das Subgenre des Folk Horror ähnlich wichtig ist wie „Halloween“ für den Slasher. Die Geschichte rund um bizarre Rituale und mysteriöses Rätselraten um ein verschwundenes Kind hat bis heute nichts von ihrer Anziehungskraft eingebüßt – und das nicht nur wegen Horrorikone Christopher Lee.


An sich gibt sich Robin Hardys Film anfangs als relativ generischer Kriminalfilm. Polizist Neil Howie betritt die Insel, die idyllisch und in ihrer Isolation befremdlich zugleich wirkt, und geht seiner Polizeiarbeit nach. Hierbei offenbart „Wicker Man“ ein nahezu grandioses Gespür für Tempo und Aufbau, indem er nach und nach die Gegend mit Leben füllt und neben dem Schul- und Kneipenleben auch schon sehr früh das Brauchtum der Bewohner vorstellt. Diese wirken auf den Zuschauer zugleich anziehend als auch obskur, wobei eine unterschwellige Bedrohung immer zu spüren ist. Hiervon zehrt der Beitrag bis zum Schluss.

Ein weiterer Kniff liegt in der Darstellung der Charaktere selbst. Der verbohrt-puritanische Cop steht in direktem Kontrast zu der Ausgelassenheit der Heiden, die fast schon bis zum sexuellen Exzess reicht. Beide Parteien bieten nicht wirklich Möglichkeit zur Identifikation, obwohl man natürlich so oder so durch die Augen des Polizisten erfahren und erkennen muss. Ihm gegenüber steht Lord Summerisle, der als Anführer der Sippschaft auftritt. Nach und nach wird das Geschehen ernster und somit natürlich interessanter.


Hierbei kommt es zu beeindruckenden Szenarien und ebenso überzeugenden Bildern. Besonders im letzten Drittel, das durch die Verkleidungen (inklusive unangenehmer Tiermasken) eingeläutet wird, vermählen sich Naturverbundenheit und eine nahezu surrealistische Bildsprache, die in diesem bedrohlichen Kontext eine gänzlich eigene Ästhetik kreiert. Der Schrecken bleibt hierbei immer greifbar, in seiner Essenz jedoch fremd und verborgen.




Insofern gelingt es „Wicker Man“, den Zuschauer in seinen Bann zu ziehen und die gesamte Laufzeit über zu fesseln. Hardy erklärt dabei genug, um sein Werk als halbwegs geerdeten Mysterykrimi funktionieren zu lassen, bleibt aber über lange Strecken vage genug, um Schauwerte und Rätsel zu etablieren, die eigentlich abseits der Haupthandlung um die verschwundene Rowan angesiedelt sind. Der Twist und das ikonische Ende tun dann noch ihr übriges.


Fazit: „Wicker Man“ ist ein grandioser Film, der seinen Kultstatus definitiv verdient hat. Die Darstellung des obskuren Heidentums, das sich irgendwo zwischen kindlicher Frivolität und perverser Gewaltbereitschaft einfindet, ist zeitlos, die Inszenierung sauber und die Bildsprache gewaltig. Obwohl avantgardistische Experimentierereien ausbleiben, hat man auch heute noch das Gefühl, ein Werk zu sehen, das es in dieser Zusammensetzung noch nicht gegeben hat. Uneingeschränkte Empfehlung!


9/10