Sunday, 12 January 2025

REVIEW: NOSFERATU - DER UNTOTE (Robert Eggers, 2024)

 


Ein junger Immobilienmakler wird nach Transsylvanien geschickt, um dort mit einem exzentrischen alten Grafen einen wichtigen Vertrag auszuhandeln. Dieser entpuppt sich jedoch als Untoter, der ein Bündnis mit der Ehefrau des Vertreters geschlossen hat und gedenkt, diese endgültig für sich zu gewinnen. Als er nach Deutschland kommt, nimmt der Wahnsinn seinen Lauf.


Die Figur des Nosferatu verkörpert wohl wie keine zweite die Anfänge des Horrorkinos. Die Darstellung Max Schrecks im Stummfilmklassiker aus dem Jahre 1922, seines Zeichens einer der wichtigsten Repräsentaten des filmischen Expressionismus, ist ikonisch, die von Kinski, die circa 50 Jahre später folgen sollte, ebenfalls. Nun hat sich Robert Eggers der Aufgabe angenommen, mit seinem „Nosferatu – der Untote“ den Stoff im modernen Gewand zu präsentieren.


Die Anfänge dürften jedem Horrorfan überaus bekannt vorkommen, orientieren sie sich doch scheinbar noch mehr an Bram Stokers Romanvorlage (an der man natürlich damals keine Rechte hatte) als die bisherigen „Nosferatu“-Filme. Thomas fährt in die Karpaten und lernt Graf Orlok kennen, der als Untoter die Erlösung in der wahren Liebe sucht. Diese kommt in Form von Ellen, Thomas' Frau, die in ihren Kindertagen ein Bündnis mit dem Wesen geschlossen und ihm im Austausch für Liebe und Zuneigung ihre Seele versprochen hat. Anders als bei manch anderer Aufarbeitung der Thematik lässt Eggers das Ganze ziemlich schnell ziemlich eklig werden und lässt trotz der Überlänge keine langweiligen Passagen zu.

Das, was „Nosferatu – der Untote“ von vergleichbaren Filmen abhebt, sind zunächst einmal die Charaktere. Allen voran muss hier Lily-Rose Depp als Ellen gelobt werden, die den ganzen Film über in heftigste Trancen verfällt und vom untoten Unhold psychisch attackiert wird. Diese Szenen sind unbeschreiblich gelungen und stellen das eigentliche Herzstück des Werks dar. Irgendwo zwischen erotischer Extase und paranoidem Wahn schmeißt die Frau von Thomas sich im Bett hin und her, wobei sie zwischen Hilflosigkeit und Besessenheit oszilliert. Der wahnsinnige Knock (aka Renfield) und Willem Defoe als manisch-alchemistischer Van Helsing Verschnitt überzeugen ebenfalls, werden aber von Depp trotzdem überschattet.





Graf Orlok selbst hat traditionsgemäß keinerlei gentlemenhaften Züge und ist eigentlich durchgehend unangenehm und abstoßend. Obwohl seine Maske die am wenigsten überzeugende von den bisherigen „Nosferatu“-Filmen ist, kann er das Ghoulische, Zombiehafte der Figur übermitteln. Am interessantesten ist der Film von Eggers jedoch, wenn der Schrecken abseits des Vampirs stattfindet. Ratten, Fieberträume, Seen aus Blut und Erbrochenem versinnbildlichen Orloks Einfluss und überzeugen letztendlich mehr als er selbst. Das soll nicht als Kritik am Charakter verstanden, sondern vielmehr als Beweis für die Stärken der anderen Aspekte gesehen werden.


Das – zugegebenermaßen ziemlich große – Zünglein an der Waage, das „Nosferatu – der Untote“ zu einem wirklich guten Film macht, ist jedoch die Optik. Die Bilder schwanken zwischen Märchenhaftigkeit und Alptraum, alles wirkt genauestens konzipiert, stellenweise erinnert die entsättigte Farbgebung wirklich an alte Schwarz-Weiß-Filme und einige Passagen könnten glatt einem expressionistischen Werk der 1920er entsprungen sein. Wer ein Auge für dergleichen hat, dürfte hier wirklich erstaunt sein.


Fazit: „Nosferatu – der Untote“ vermählt Arthouse-Ästhetik mit einer subtilen Interpretation des klassischen Vampirhorrors und kann als voller Erfolg gewertet werden. Interessanterweise ist die Figur des Orlok selbst weniger imposant und ausgearbeitet als die restlichen Horrorelemente, aber diese Rechnung geht letztendlich auf. Neben den wundervollen Bildern kann vor allem der Subplot um Ellen, der einem wirklich unter die Haut geht, überzeugen. Ein starker, empfehlenswerter Film, der zeitgleich originalgetreue Aspekte des Expressionismus und moderne Innovation präsentiert.


8,5/10